Dialog

Auseinandersetzung mit Literatur

Literaturvermittlung

(Foto: Giacinto Carlucci)

Seit 1983 bietet Tina Stroheker Literaturseminare an, häufig an Volkshochschulen. Das Göppinger Literaturseminar am Vormittag besteht mittlerweile über 30 Jahre. Ein Wochenendseminar ist hinzugekommen. Besonders dort läßt sich manchmal, in Worten der Autorin, ein „schöner gemeinsamer Wahnsinn“ beobachten: „Dann sind alle Teilnehmer ganz ‚dran’, es wird gelesen, exzerpiert, diskutiert, eine gewaltige Ausdauer läßt sich beobachten – am liebsten hätte man von morgens bis abends Literatur!“. Die Seminare stehen häufig im thematischen Zusammenhang mit weiteren Veranstaltungen, vor allem den regelmäßigen literarischen Matinéen am Sonntag, die die Autorin seit Jahren mit dem Lyriker Gerd Kolter gestaltet.

 

Josef Mühlberger (1903-1985)

(Foto: Wilhelm Pabst)

Ein Flüchtling aus Nordböhmen in Eislingen …: Nach Josef Mühlbergers Tod entwickelte sich aus der von Tina Stroheker (anfangs gemeinsam mit Stephan Wünsche) angestoßenen Beschäftigung mit dessen Werk und Wirkung ein Netz von Beziehungen bis in die Tschechische Republik hinein. Versucht wurde, in Worten Tina Strohekers, die „Vermessung einer Distanz“, aus der sich auch Nähe entwickelte. Die stärksten Impulse kamen dabei von den Eislinger Mühlberger-Tagen (1995–2013)

 

 

 

 

(Foto: Rainer Werner)

Mühlberger-Tage

„Wir wollten zu einer lebendigen Auseinandersetzung mit dem Schriftsteller und einstigen Mitbürger einladen, die gelegentlich auch unterhaltsam oder spektakulär sein durfte. Es sollte keine museale oder gar unkritische Retrospektive betrieben, sondern vielseitiges literarisches Leben in die Stadt gebracht werden. Die Veranstaltungen sollten sowohl für aufgeschlossene Laien als auch für Fachleute interessant sein, sich also von wissenschaftlichen Konferenzen unterscheiden. Jedesmal sollten sich die Programmpunkte der Mühlberger-Tage um ein bestimmtes Thema gruppieren, das mit Werk, Anliegen und Leben Mühlbergers verbunden ist. Im Laufe der Jahre entwickelte sich aus diesen Überlegungen eine weithin beachtete literarische Biennale, zu der stets auch Besucherinnen und Besucher von auswärts anreisen.“

(„Die Mühlberger-Tage in Eislingen“. In: GERMANOSLAVICA, Prag, Jahrgang 20, Nr. 1,  2009)

 

„Tina Stroheker drückt es so aus: ‚Wir alle […] brauchen das Vertrauen auf Gemeinsamkeit, ein Netz, das die geistig Schaffenden verbindet. Wir müssen es, soweit es an uns liegt, gut pflegen.‘ Solche Sätze sollten nicht missverstanden werden als Festhalten an einer abgeschotteten geistigen Elite, die in sich selbst kreist – das wäre gerade im Falle von Tina Stroheker absurd. Worauf sie vielmehr beharrt und was sie dann auch viele Vermessungsschritte näher an den Schriftsteller Mühlberger heranbringt, ist das gemeinsame Bemühen um Vermittlung – und zwar in mehrfacher Bedeutung. […] Ein solches Engagement setzt die Bereitschaft zur Wirkung voraus, und damit gerade den Willen aus einem engen Zirkel herauszutreten, öffentlich zu werden. Und darin liegen die engsten Berührungspunkte mit dem Wirken von Tina Stroheker.“

(Gerd Kolter, Laudatio zum Josef-Mühlberger-Preis, Lautern, 13. April 2003)

 

„Im Rahmen der diesjährigen Mühlberger-Tage erschien ein neues Buch des Kunstvereins Eislingen, das Sudetendeutsche besonders ansprechen dürfte: Die Schriftstellerin Tina Stroheker gab unter dem Titel ‚Mein Kapitel Mühlberger – Erinnerungen an einen Autor‘ eine Anthologie mit 21 Beiträgen von Zeitgenossen Josef Mühlbergers herausgegeben.[…] Mag das Herausgeben einer Anthologie eine noch so große Arbeit sein – hier hat sie sich gelohnt. Tina Stroheker war für dieses Unternehmen besonders qualifiziert. […] Sie beschäftigt sich intensiv sowohl mit regionaler Literatur als auch mit der Literatur Osteuropas.“

(Elke Langstein-Jäger, „Mein Kapitel Mühlberger“. In: Sudetenland, Nürnberg, Nr. 3/ 1999)

 

„Ein besonderes Anliegen Tina Strohekers, einer auch in Tschechien gut bekannten Lyrikerin, war es, Mühlbergers Werk nicht nur in Eislingen zu pflegen, sondern auch in tschechischen Übersetzungen und als Thema tschechischer germanistischer Arbeiten nach Böhmen und Mähren zurückzubringen.“

(Zdenĕk Mareček, „Was ist Fremde, und wo ist Heimat?“ In: LandesZeitung. Zeitung der Deutschen n der Tschechischen Republik. Prag, 7. 5. 13)

Literarische Werkstatt Göppingen

(Foto Stephan Wünsche)

Handwerkliches Arbeiten an entstehenden Texten, der Meinungsaustausch über Literatur und öffentliche Auftritte standen im Zentrum der Gruppentreffen, die Gerd Kolter und Tina Stroheker 1981 begründet hatten und die bis 2002 fortgeführt wurden. Für nicht wenige PublizistInnen und SchriftstellerInnen standen die Abende mit der ‚Werkstatt’ am Anfang ihres beruflichen Weges.

 „[Die Literarische Werkstatt Göppingen ist] eine Art literarische Guerilla aus dem Filstal (man sehe den militanten Vergleich nach), die […] im kulturellen Unterholz des flachen Landes manches Scharmützel ausficht und gewinnt. Und die, zusammen mit örtlichen Institutionen, allen voran dem rührigen Kunstverein Eislingen, in und um Göppingen und im literarischen Leben der Region Handfestes bewirkt hat. […] ‚Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte …’. Solch kollegiale Aufforderung zum Gespräch war für Tina Stroheker 1981 Motivation, die Werkstatt ins Leben zu rufen. ‚Die Isolation von Autorinnen und Autoren aus der Region sollte überwunden werden’, erinnert sich die Villa-Massimo-Stipendiatin und Stuttgarter Literaturpreisträgerin […].“

(Rainer Wochele, „Literatur-Guerilla aus dem Filstal“. In: Stuttgarter Zeitung, 29. 3. 1997. Über „Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte …“, 1996)